Als ich ca. 22 Jahre alt war, wurde ich von einer heftigen Seelenkrise gezwungen, mir meiner persönlichen Wahrheit ins Auge zu blicken. Jahrelang hatte ich mir genau die Geschichte erzählt, die ich oft von anderen erzählt bekam: Bei dir ist doch alles in Ordnung. Schau dir doch dein Leben an. Keine Auffälligkeiten. Du bist in vielen Lebensbereichen sogar sehr erfolgreich. Es funktioniert doch! Weitermachen…
Und ich machte weiter, so lange, bis meine Seele zu rebellieren begann und lauter und lauter wurde. Und als ich trotzdem weitermachte, hebelte sie mich schlichtweg aus und übernahm das Regiment. Ich hatte regelrechte Seelenzusammenbrüche und war in diesem Momenten komplett out of order. Das war megabeängstigend, weil ich keine Ahnung hatte, was da mit mir passierte.
Heute weiß ich, dass meine Seele damals mit ihrer ganzen Kraft SOS funkte und mir signalisierte, dass es so nicht weitergehen konnte.
Ich musste mir eingestehen, dass es gerade alles andere als gut war in meinem Leben. Dass all die äußeren Bilder, die ich aufgebaut und aufrecht erhalten hatte, zu zerbrechen drohten und dahinter ein Staudamm brach durch den sich tiefe Ängste und alte, verdrängte Schmerzen meldeten. Ich habe damals so lange dagegen gehalten, bis ich nicht mehr konnte und kapitulieren musste.
Ich musste mir eingestehen, dass meine Seele damals sehr verletzt war und sie eine Scheißangst hatte, wieder verletzt zu werden. Und dass diese Angst sie vor sich her trieb und sie in einem reinen Überlebensmodus laufen ließ, der mich einen viel zu hohen Preis kostete.
Heute weiß ich , dass genau diese Kapitulation, diese Annahme der Wahrheit, die in diesem Moment lag, der Startschuss war, dass mein Leben von diesem reinen Funktionieren in einen anderen Modus wechseln konnte: in den Lebensmodus.
Damit meine ich, zu leben, zu gestalten, akiv zu sein, zu agieren, seine Ziele selbst zu definieren, Visionen zu entwickeln und aktiv auf sie zusteuern. Ein Leben in Eigenverantwortung und Selbstermächtigung im positiven Sinn.
Bis dahin hatte ich ganz gut funktioniert. Keine äußeren Auffälligkeiten, im Gegenteil: angepasst, sehr gute Leistungen, in der Regel im Sonnenscheinmodus.
Ich funktionierte und es ging mir lange Zeit nicht schlecht damit. Irgendwie ging es. Manches ging gut, anderes weniger, aber im großen und Ganze war es ok.
Funktioniermodus – wenn ich mich so umschaue, dann stecken da ziemlich viele Menschen drin.
Es läuft doch….
Die spannende Frage ist allerdings: Wohin???
Bei mir damals Stück für Stück in eine heftige Krise, in der ich nicht mehr wusste, wo oben und wo unten ist.
Der Funktioniermodus drückt sich in Gedanken aus, wie: So ist das halt, das ist so, das macht man so, so ist das Leben halt,
gefühlstechnisch ist es oft eine Art Druck, ein Gefühl von Ausgeliefertsein, von Nichtanderskönnen
Im Funktioniermodus reagieren wir. Und zwar so, wie wir es gelernt haben in der prägenden Phase unserer frühen Kindheit.
Seit ich Menschen als Beraterin begleite, wird mir immer mehr bewusst, dass dieser Funktioniermodus im Grunde ein Überrest unseres kindlichen Überlebensmodus ist.
Wenn dabei die dahinterliegenden Überzeugungen ans Licht kommen, zeigen sich oft Logiken, die mit etwas Abstand ziemlich skuril sind, aber genaugenommen nichts anderes als Überlebensstrategien sind, mit denen wir versuchen, unsere Grundbedürfnisse nach Sicherheit und Bedeutung absättigen zu können.
Um es dir an einem konkreten Beispiel zu zeigen:
Gerade viele von uns erwachsenen Trennungskindern, die wir in der Kindheit oft Konflikte zwischen unseren Eltern erlebt haben – offen oder subtil – haben diese Konflikte als existenziell bedrohlich empfunden. Zwangsläufig, weil Kinder ihren Eltern letztlich ausgeliefert sind. Kinder sind aber wahre Überlebenskünstler und unglaublich geschickt darin, Strategien zu entwickeln, um sich ihre Grundbedürfnisse nach Sicherheit und Bedeutung erfüllen zu können…
Eine häufige Strategie ist anpassen, funktionieren, aushalten, es perfekt machen wollen, um nicht für noch mehr Unruhe zu sorgen, und somit sicher sein zu können, dass man von den Eltern angenommen ist oder auch um zu vermeiden, verlassen oder abgelehnt zu werden, noch mehr verletzt zu werden etc…
Jeder Mensch entwickelt seine ganz persönliche Logik unterbewusst und entscheidet sich dabei (ebenfalls unterbewusst) für Strategien, mit denen er Sicherheit und Bedeutung/ einen Platz im Leben erreichen will.
Diese Strategien haben durchaus ihre Berechtigung, weil sie uns lange Zeit wirklich geholfen haben. Wenn wir sie aber mal etwas hinterfragen, dann merkt man meistens, dass sie einen hohen Preis kosten. Oft unglaublich viel Energie und Druck, einen enormen Anspruch an uns selbst und ein aktives, selbstgestaltetes Leben.
Das funktioniert. Vielleicht sogar eine ganze Weile – aber irgendwie leben wir dabei an unserem eigentlichen Leben vorbei, in dem es noch einen ganz anderen Modus gibt:
Eben den Lebensmodus, in dem du gestalterisch an der Zielrichtung deines Lebens mitwirken kannst, in dem du selbstverantwortlich dein Leben und damit auch deinen Beziehungen in deine eigene Hand nimmst und dich nicht von deinen unterbewussten Mustern und Prägungen in einen Richtung drängen lässt, in der du meistens weit von einem erfüllten Leben und einer lebendigen Beziehung auf Augenhöhe entfernt bist.
Unterschätze nie die Kraft deine Unterbewusstseins: Es macht über 90% deiner Persönlichkeit aus und hat wesentlich mehr Power als die kleine Eisbergspitze von weniger als 10% deines Bewusstseins.
Gott sei Dank werden wir in unserem Leben immer wieder daran erinnert, um was es eigentlich geht. Dass es um viel mehr geht, als ums pure Funktionieren und Reagieren. Dass wir die Möglichkeit haben, unsere unterbewussten Anteile ins Bewusstsein zu holen und uns damit auseinanderzusetzen. Dass wir die Würde haben, selbst wählen zu können, welche Ziele wir ansteuern und wem wir das Ruder überlassen. Und dass so viel mehr Lebensqualität drin ist, wenn wir aufhören in unserem Hamsterrad, die immergleichen Runden zu drehen und beginnen unsere eigenen Weg zu gehen, unser eigenes Leben zu gewinnen.
Bei mir hat es lange gebraucht, bis ich diesen Shift vom Überlebensmodus in den Lebensmodus geschafft habe. Ich habe dazu einige heftige äußere und innere Krisen gebraucht, bis ich innerlich kapituliert habe und mich meiner inneren Wahrheit gestellt habe.
Funktionieren klappt so lange, bis eine Krise kommt und es eben nicht mehr funktioniert.
Funktionieren klappt so lange, bis der finale Tropfen ins Fass fällt und es überläuft. Funktionieren klappt so lange, bis die Kraft ausgeht und Körper und Psyche den Alarmknopf drücken und dich in eine Krise stürzen.
In einer solchen Krisen hast du genau 2 Möglichkeiten:
- dich gegen die Krise auflehnen und dich als Opfer sehen
- die Krise als Weckruf verstehen: Es ist Zeit, dich einer Wahrheit in dir zu öffnen, die endlich ans Licht kommen will.
Ich bin heute fest davon überzeugt, dass Krisen uns dazu einladen, uns mit unserer persönlichen Wahrheit auseinanderzusetzen.
Ein Ruf an uns, aufzuwachen, hinzuschauen, zu erkennen, was gerade Sache ist. Unseren Modus zu überprüfen und die Chance zu bekommen, uns auf den Weg in unsere innere Freiheit zu machen.
Ich war am letzten Wochenende 4 Tage in Stille, um das kontemplative Jesusgebet zu lernen, und dabei lernte ich eine grundlegende Wesenszug der Kontemplation:
Wahrnehmen und annehmen, was jetzt gerade ist. Wahrnehmen lernen, was jetzt gerade Wahrheit in mir ist.
Dieser Gedanke hat mich sehr berührt und ich möchte ihn heute mit dir teilen und dich ermutigen: Trau dich, deine ganz persönliche Wahrheit wahrzunehmen und anzunehmen.
Es muss bei dir dazu nicht erst der große Knall kommen wie bei mir.
Du bekommst bereits vorher immer wieder Weckrufe, von deiner Seele, deinem Körper, deinem Geist. Bitte geht nicht darüber hinweg. Bitte ignoriere sie nicht. Bitte verdränge sie nicht.
Sie wollen dir etwas sagen.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es Mut kostet, seine eigene Wahrheit zuzulassen und hinzuschauen, was da ist, in welchem Modus man gerade fährt und vor allem auch, was man sich durch diesen Modus bisher selbst in seinem Leben und seinen Beziehungen kreiert und häufig auch selbst verbaut hat.
Das kann ganz schön schmerzhaft sein. Aber ich kann dir auch aus meiner eigenen Erfahrung versichern, dass der Punkt, in dem du die Wahrheit das erste Mal in vollem Maß zulässt, mit großer Wahrscheinlichkeit der schmerzhafteste sein wird.
Der Augenblick, an dem ich endlich so weichgekocht war, die Wahrheit zuzulassen, war im nachhinein der schmerzhafteste Punkt und gleichzeitige war er das Eintrittstor zu meinem Weg der inneren Heilung.
Ich hatte damals noch keine Ahnung, wie dieser Heilungsweg aussehen könnte.
Aber das braucht es nicht! Du must den Weg noch nicht kennen. Aber in dem Moment, wo du kapitulierst und annimmst, dass es einen anderen Weg braucht als den bisherigen, öffnen sich Türen, die du bislang nicht kanntest.
In meinem Fall war es eine wunderbare Mischung aus Begegnungen, Büchern, Wegbegleitern, Psychologen, Psychologischen Beratern, etc… viele kleine Puzzlesteine, die sich Stück für Stück zusammengefügt haben und es immer noch tun.
Ich habe meine inneren Muster und Überzeugungen kennengelernt, meine Ängste anzuschauen, mich damit auseinanderzusetzen, wohin mein Unterbewusstsein mich eigentlich die ganzen Jahre über gesteuert hat. Ich habe gelernt, meine eigene Logik in Frage zu stellen und einen neuen Blick auf die Welt, auf das Leben, vor allem aber auf mich selbst und die anderen, und ich konnte dadurch Schritt für Schritt den Modus von Funktionieren zu Leben und Gestalten wechseln.
Heute liebe ich diesen Lebensmodus! Er beinhaltet so eine unglaubliche Lebens- und Beziehungsqualität und ich wünsche mir so sehr, dass auch du das erleben kannst!
Vor allem wenn du gerade in einer Krise steckst und nicht mehr weißt, wo oben und unten ist, möchte ich dich heute dazu einladen, den Mut zu haben, auf dich selbst zu schauen und deine eigene aktuelle Wahrheit anzunehmen.
Vielleicht ist genau jetzt in der Krise Zeit, genauer hinzuschauen. Dich Themen zuzuwenden, die du bislang eher verdrängt hast.
Nimm wahr, was jetzt gerade in dieser Phase Wahrheit für dich ist?
Aber eigentlich wünsche ich mir, dass du diese Folge vor der Krise schon hörst und so mutig bist, dich selbst deiner Wahrheit zu stellen, bevor du dazu gedrängt werden musst.
Frage dich:
- Was erzähle ich mir eigentlich gerade über das Leben?
- Wie fühle ich mich dabei?
- Welche Ängste trage ich in mir?
- Was denke ich gerade über mich selbst?
- Wie sehe ich die anderen?
- Lebe ich oder funktioniere ich?
- Will ich in Zukunft funktionieren oder leben?
Ich möchte dich heute von ganzem Herzen ermutigen, dich ans Leben zu wagen! Vom Überleben ins Leben zu wechseln und dein eigenes Leben anzunehmen und zu gestalten.
Als erster Schritt reicht es, die Sehnsucht nach Leben zu spüren und dich dafür zu entscheiden, ihr nachzugehen.
Das ist der erste Schritt auf diesem Weg. Du musst die weiteren Schritte noch nicht kennen.
Aber lauf los! Denke nicht, dass du deinen Weg erst beginnen kannst, wenn du Zeit/ Energie/ Kapazität dafür hast… Das ist ein Trugschluss, denn wenn du weiter im Funktioniermodus läufst, wird dieser Punkt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht kommen.
Deshalb trau dich und spring! Gehe los – und du wirst erleben, dass sich Türen öffnen!
Ich wünsche dir so sehr, dass du das erleben kannst, was es bedeutet zu leben. Zu gestalten, aktiv und progressiv – in deinem Leben und in deinen Beziehungen. Dich nicht mehr von Krisen bedrängen und vorwärts drängen lässt, sondern selbst in der Lage bist, Visionen zu entwickeln und Berufung zu leben und dich von ihnen anziehen zu lassen. Das ist eine völlig andere Qualität von Entwicklung und Leben und ich kann dir versichern: Wenn du diese Qualität einmal geschmeckt hast, willst du mehr davon